Gewitter im Mai und andere Hochlandgeschichten by Ludwig Ganghofer

Gewitter im Mai und andere Hochlandgeschichten by Ludwig Ganghofer

Autor:Ludwig Ganghofer
Format: epub
Tags: Erzählungen
Herausgeber: Droemersche Verlagsanstalt


Die schönen Tage begannen schwül zu werden – so schwül unter dem Dach des Försterhauses wie draußen unter dem freien Himmel mit seiner heißen Sonne.

Von der ›dummen Geschicht‹, wie Vater Xaverl den Herzenskummer seines Buben zu nennen pflegte, wurde im Försterhaus nur gesprochen, wenn Vater und Mutter allein waren. Saß aber der Bub bei ihnen, dann schwatzte man von hundert Dingen, nur von dem einzigen nicht, an das sie alle dachten. Und das war immer ein tröpfelndes Reden, ein müdes Lachen, ein beklommenes Verstummen.

Wie lang ihnen allen solch ein Abend wurde – bei der trüb brennenden Petroleumlampe, um die noch Vater Xaverls Pfeife die grauen Schleier ihres Qualmes spann!

Doch am Freitagabend – am letzten Abend vor Poldis Abreise – da wurde allen dreien das Schwatzen ein bißchen leichter. Jedes von ihnen schien zu denken: Morgen ist's überstanden!

Die Alten sprachen immer vom nächsten Urlaub ihres Buben, Vater Xaverl braute einen Punsch, und da blieben sie lange sitzen, denn die Mutter hatte noch bis spät in die Nacht hinein zu nähen, um das Zeug ihres Buben völlig in Ordnung zu bringen, und am anderen Morgen, gleich in aller Frühe, gedachten sie den Koffer zu packen – Poldi mußte wohl erst am Abend gegen zehn Uhr von zu Hause fortfahren, um in der nächsten, eine Stunde vom Dorf entfernten Bahnstation den Anschluß an den Nachtzug zu erreichen – aber wenn der Koffer am Morgen schon fertig stünde, dann könnte man sich Zeit lassen, meinte die Mutter. »Und man hat sich doch noch ein bißl!«

Als sie schlafen gingen, war Vater Xaverl vom Punsch so fidel geworden, als käme er aus der Schützengesellschaft. Er machte sich's in den Federn bequem und lachte und schwatzte, während die Mutter noch immer was zu kramen hatte. Aber schließlich wurde er still, und als er zu sägen anfing, schlich die Försterin auf den Zehen aus der Stube und ging zur Kammer ihres Buben hinauf.

An der Tür lauschte sie ein Weilchen. Alles war still da drinnen, doch es schimmerte noch Licht durch die Ritzen der Türe heraus – und als sie in die Kammer trat, sah sie ihren Buben halb entkleidet neben dem flackernden Kerzenlicht am Fenster sitzen.

Wortlos, wie von einem schmerzenden Krampf geschüttelt, streckte er der Mutter die Arme entgegen und zog sie auf seinen Schoß und hielt sie umklammert und preßte das Gesicht an ihren Hals.

Auch die Mutter brauchte eine Weile, bis sie sprechen konnte. Dann begann sie, ihn mit leisen Worten zu trösten, und redete so lange, bis er ruhig wurde. »Und schau, Bubele, jetzt vergönn dir doch auch ein bißl Schlaf! Morgen mußt ja die ganze Nacht durch fahren! ... Gelt, tust dich niederlegen?«

Er nickte. »Gut Nacht, Mutterl!«

Draußen vor der Türe wartete sie, bis das Licht erlosch. Dann ging sie nochmals hinein in die Kammer, die vom Mondschein matt erleuchtet war, tauchte den Finger in das Weihbrunnkesselchen, das neben der Türe hing, besprengte mit dem geweihten Wasser das Gesicht ihres Buben und küßte ihn auf die Wange. »Schau, so viel hart wird's mir morgen! Aber komm mir nur gesund wieder heim.



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